Wie Corona die Yogaszene verändert hat

Bis zum Lockdown hatte sich über die Jahre ein kleines Yogauniversum aus etablierten Studios, gelegentlichen Neugründungen, guten Schüler/Lehrerbeziehungen und einigen wenigen Online-Angeboten etabliert. Der erste Schock lange vor dem Lockdown waren Apps wie Urban Sports, die das Studiosystem und die Kostenstrukturen änderten. Der Lockdown beschleunigte, wie in vielen Lebensbereichen, die Digitalisierung der Yogaangebote und veränderte die Art und Weise, wie die Schüler Yoga für sich entdeckten und praktizierten.


Im ersten Lockdown wurden viele Studios und Lehrer panisch und gezwungen in kurzer Zeit eigene Online-Angebote aufzubauen. Da die meisten Yogalehrer traditionell eher wenig mit dem dafür notwendigen Know how ausgestattet waren, mussten viele sehr schnell lernen und in das Equipment investieren, um eine vernünftige Qualität anzubieten. Plötzlich waren auch ganz andere Skills bei den Lehrern gefragt, wie präzises Anleiten, Demonstrieren und Auftritt vor der Kamera sowie der Umgang mit virtuellen Teilnehmern. Wie alles Neue, war es zunächst aufregend und versprach ganz neue Möglichkeiten. Man war nicht mehr auf seinen lokalen Einzugsbereich angewiesen, sondern konnte von überall Teilnehmer gewinnen oder auch selbst Kurse bei Lehrern besuchen, die am anderen Ende der Welt sind. Einige Yogalehrer berichteten in Interviews von 100-150 Teilnehmern pro Kurs, Zahlen, die in den beengten Studioräumen bislang unmöglich waren. Genauso nutzten viele Lehrer die Möglichkeit, um sich endlich von den Studios zu lösen, neue Netzwerke zu gründen und selbst Kurse über eigene Webseiten oder Facebook anzubieten.


Schöne neue Welt. Wie immer folgt auf die Euphorie die Ernüchterung. Die Konkurrenz im Netz und vor allem das Angebot an kostenlosen Videos stieg enorm und die Anzahl der Teilnehmer in den Kursen sank rapide. Je länger der Lockdown dauerte, desto mehr schwand auch bei den Teilnehmern die Lust, sich regelmäßig vor den Laptop oder dem kleinen Handy-Bildschirm zu bewegen, zumal sie durch Homeoffice oder Homeschooling eh den ganzen Tag online sind. Hinzu kommt, dass sich online-Formate für Fitness oder Pilates ganz gut eignen, aber weniger fürs Yoga. Es fehlt online einfach die Nähe, das Sanfte und Zwischenmenschliche und diese bestimmte Energie im Raum, die nur entsteht, wenn Viele zusammen konzentriert Yoga praktizieren.


Profitiert haben von der Krise eher Lehrer, die vorher schon einen hohen, deutschlandweiten Bekanntheitsgrad hatten oder aber Portale, die schon lange im digitalen Geschäft unterwegs waren und auf eine breite Kundenbasis zurückgreifen konnten. Die kleinen Studios sind nach wie vor sehr auf die Loyalität und Treue ihrer lokalen Kunden angewiesen, die mit dem Ende des Lockdowns hoffentlich zurückkehren werden.
Einige der neuen Entwicklungen werden auch nach der Krise bleiben, einiges wird wieder so sein wie zuvor. Die Studios werden sicherlich Kurse streamen, da die Technik ja nun mal da ist und viele Kunden sich dran gewöhnt haben. Yogalehrer werden zu „ihren“ Studios zurückkehren, da sie vielleicht doch nicht alleine über die Marketingkanäle verfügen, um dauerhaft ausreichend Schüler anzuziehen. Die Teilnehmer werden in Zukunft frei entscheiden, ob sie vielleicht heute wenig Zeit haben und lieber den Kurs online besuchen, statt in das Studio zu fahren. Es wird ein Mix aus beiden Angeboten geben.


Von der Krise gänzlich unbeeindruckt bleibt letztlich das Yoga selbst. Eine uralte Kraft, die uns durch das Helle wie durch das Dunkle trägt. In diesem Sinne. Namaste.


Füsun Folger (Gründerin & Yogalehrerin enso yoga Berlin)

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